Aufräumen: „Wir nehmen uns zu viel vor.“

Es tut gut, in einem sauberen, aufgeräumten Zuhause zu sitzen, aber der Weg dahin ist oft von Frust gesäumt. Denn offenbar kann man auch falsch aufräumen. Petra Bäumler hat das oft erlebt. Die 43-jährige Nürnbergerin ist Aufräumcoach und verrät uns, wie wir zum Erfolg kommen.

Frau Schubert, was hat das Aufräumen mit Plastikvermeidung zu tun?

Für mich sehr viel, denn das Leben ohne Plastik führte bei mir dazu, mein Konsumverhalten zu überdenken. Ich erkannte, dass ich nicht mehr jedes Jahr einen neuen Wintermantel brauche. Meine Küchenschränke, die voll waren mit Schüsseln, Töpfen und Geschirr erdrückten mich. Ich wollte weniger besitzen. Deshalb musste ich beginnen, mich von Dingen zu trennen. Heute fällt mir das leicht, aber manchmal ist es schwer, den Anfang zu machen. Damit er besser gelingt, habe ich mir Tipps vom Profi geholt. Petra Bäumler aus Nürnberg ist so ein Profi. Sie erklärt, wo Fehler lauern und wie das richtige Aufräumen und Ausmisten gelingen kann.

Liebe Petra, du bist Aufräumcoach, was muss ich mir darunter vorstellen?

Ich unterstütze v.a. Frauen dabei, ihr Leben auszumisten und von Ballast zu befreien. Wir misten gemeinsam aus, entscheiden, ob die Dinge noch ins zukünftige Leben passen und glücklich machen. Dann wird neu geordnet und strukturiert, außerdem gibt es zahlreiche Tipps für das Einkaufen, den Alltag, für Routinen, um diese Ordnung dann zu halten. Ich motiviere und inspiriere, wie sie zukünftig leben wollen und welche Schritte dazu nötig sind. Ausmisten bewegt das ganze Leben, nicht nur das Außen – nicht selten verändert sich danach in den Leben meiner Kundinnen so einiges zum Positiven – weil plötzlich wieder Energien freigesetzt werden, weil Ideen für das eigene Herzensprojekt aufkeimen, weil der Geist nicht ständig um dieses leidige Thema Aufräumen kreisen muss. 

Ich liebe diese Arbeit, weil ich das Gefühl habe, die „wirkliche“ Frau unter all dem Ballast hervorzubringen, die nur noch funktioniert hat und plötzlich wieder lebt!

Wie bist du dazu gekommen? Das war ja sicher nicht der Beruf, den du nach der Schule ausgeübt hast?

Nach dem Tod meiner Mama musste ich den elterlichen Haushalt komplett auflösen und quasi bei null beginnen (andere Stadt nach der Trennung von meinem Exmann, neuer Job, alleinerziehend, auf mich gestellt). 

Das Weggeben von emotional behafteten Dingen ging mir dennoch überraschend gut von der Hand, weil ich immer mehr merkte, dass mir Dinge an sich nicht mehr so viel bedeuten. Ich brauchte die Gegenstände nicht, um mich an meine Mama zu erinnern. Sie ist ja immer in meinem Herzen, außerdem wohne ich seitdem im Elternhaus, was mich natürlich täglich an die Eltern denken lässt. 

Seit vielen Jahren beschäftige ich mich mit dem „Minimalismus“, der als bewusste Beschränkung auf ein Minimum definiert wird. Für mich ist er zu einer Lebenseinstellung geworden, mich auf das für mich Wichtige im Leben zu konzentrieren. Und das sind die Menschen, die ich liebe, mit ihnen schöne Momente und Erlebnisse zu verbringen, nach dem Motto: „Weniger Zeug, mehr Zeit für das Wesentliche“. Ich merkte, dass ich nur noch von Gegenständen umgeben sein wollte, die mich glücklich machen. In dieser Zeit habe ich u.a. das Buch „Magic Cleaning“ von Marie Kondo in die Hände bekommen und fand einige Theorien von ihr äußerst spannend. Ich habe also mein Leben gründlich ausgemistet, habe mir einen Plan geschrieben, wie ich vorgehen will und habe innerhalb von 4 Wochen das ganze Haus von oben bis unten ausgemistet. Ich kann wahrlich sagen, dass ich JEDES Teil, jeden Gegenstand, alles einmal in der Hand hatte und entschieden habe, ob ich es behalten will oder nicht. Danach kamen weitere 4 Wochen für ein Aufräumen im Innen dran, aber das sprengt hier den Rahmen ;)

Außerdem begegnete mir durch das Buch von Marie Kondo der Beruf „Aufräumcoach“ zum ersten Mal und ich fand es sofort faszinierend. 

Da ich sowieso schon öfter Freundinnen geholfen habe, ihre Büros/Unterlagen / Keller / Kleiderschränke mit auszumisten und neu zu sortieren, reifte die Idee immer mehr in mir: Ich wollte anderen dabei helfen, einen Überblick zu bekommen und einfach zusammen mit ihnen anzufangen, Ordnung in ihr Leben zu bringen. Weil das Leben viel zu schön ist, um sich ständig Gedanken um dieses Thema „Ordnung“ machen zu müssen. Einmal muss man allerdings in den sauren Apfel des Ausmistens beißen, danach ist es für immer vom Tisch! Weil Ordnung auch Spaß machen darf will man diese beibehalten. Sie sieht einfach schön aus und fühlt sich gut an. Durch kleine Gewohnheiten im Alltag bleibt es ordentlich, ohne großen Aufwand.

Warum brauchen manche Menschen Unterstützung beim „richtigen“ Aufräumen?

Weil sie vor lauter Wald die Bäume oft nicht mehr sehen. Weil sich vieles über die Jahre angesammelt hat und wenn man dann beginnt aufzuräumen, wird es schnell zu viel und unübersichtlich – wie ein großer Berg. Man steht unten und sieht bis ganz nach oben und denkt sich: „Das schaffe ich nie!“ Da verliert man den Mut und die Lust und gibt frustriert auf.

Durch einen neutralen Blick von außen beginnen wir systematisch an einer Stelle und das Verzetteln entfällt. Außerdem macht es zu zweit einfach mehr Spaß, man sieht Fortschritte, ich stelle die richtigen Fragen, die man sich selbst oft nicht stellt bzw. stellen mag, weil es unangenehm ist. Es ist auch meist nur der Beginn, für den es Unterstützung braucht.

Ausmisten ist wie ein Muskel, der immer stärker wird, je mehr man ihn trainiert. Deshalb brauchen mich die Frauen auch nicht immer bis zum Schluss sondern hauptsächlich für den Beginn, um eine Struktur hineinzubringen und einen Plan zu erstellen, wie es werden soll und welche Schritte dafür nötig sind. Ich sehe mich als Reiseführerin, die eine Bergtour auf einen 8000er organisiert. Selbst schon oben gewesen zu sein erleichtert es meiner Meinung nach ungemein. Zwischenetappen einzubauen (im Sinne von einzelnen Räumen/Abschnitten) und Pausen, außerdem dazwischen immer wieder nachzujustieren, was gerade ansteht, keinen Abstecher in unnötige Gefilde und immer das Wohl der Kundin und das Ziel (dauerhafte Ordnung) im Blick.

Was sind die häufigsten Fehler, die wir machen?

Wir nehmen uns zu viel auf einmal vor. Z.B. soll an einem Samstag  der ganze Keller ausgemistet werden und auch gleich noch alles zum Wertstoffhof gebracht werden. Dass sich der Keller aber meist über Jahre hinweg füllt und deshalb nicht „mal eben schnell“ ausgemistet wird, übersieht man leider. Außerdem verzettelt man sich leicht, man beginnt im Keller, räumt Dinge dann in die Garage oder ins Wohnzimmer und dort macht man dann gleich weiter, weil es hier auch so aussieht. D.h. man sieht im Keller kaum einen Fortschritt, weil man zwischenzeitlich in der Garage bzw. im Wohnzimmer weitermacht. Frustration pur!

Was sind deine drei besten Tipps, damit Aufräumen gelingt?

Ich bin ein großer Fan davon, sich immer diese 3 Fragen zu stellen:

  1. Was macht mich glücklich?

Jeder Gegenstand des Haushaltes wird angefasst und danach beurteilt, ob er mich noch „glücklich“ macht. 

Mit glücklich meine ich hier: will ich behalten, gefällt mir, nutze ich, ist funktionell (ich liebe auch nicht jedes Obstmesser, habe aber nur eine Handvoll ausgewählte gute und nicht 10 oder 15 Stück). Dementsprechend dürfen Dinge bleiben, weil sie mich noch glücklich machen und ich sie brauche, weil ich möchte, dass sie Teil meines Lebens sind und dann bekommen sie einen festen Platz im Haushalt (was die Grundlage für eine dauerhafte Ordnung ist, weil man Dinge nach Gebrauch wieder an ihren Platz zurückräumt. Das gelingt eben bei einem Zuviel nicht mehr).

  1. Was macht mich nicht mehr glücklich?

Dinge, die ich nicht mehr mag, die mir ein schlechtes Gefühl oder gar schlechtes Gewissen machen, können gehen. Ja, da gehören auch unliebsame Geschenke dazu, weil es keinem dient, wenn ich sie behalte und immer, wenn ich sie sehe (wenn sie nicht ohnehin irgendeinen Schrank damit verstopfen) ein schlechtes Gewissen habe. Das würde der Schenker auch nicht wollen, oder? Und ja, man kann Dinge zur Not nachkaufen, aber meist brauchen wir sie im Anschluss nie mehr. Alle Gegenstände, mit denen wir uns umgeben, kosten unsere Energie. Wie schön wäre es bitte (und ist es!), wenn wir unsere Energie zukünftig nur noch in schöne Dinge investieren. Das spart viel Geld auf Dauer, weil wir uns tatsächlich überlegen, ob wir es wirklich wollen und brauchen. 

  1. Wohin mit all den aussortierten Dingen?

Erst am Schluss diese Frage stellen, weil sie oft das Zünglein an der Waage ist, weshalb Menschen sich nicht von Ballast trennen können. Weil es ja viel gekostet hat oder weil man das doch nicht weggibt usw. Doch durch die Fragen 1 und 2 haben wir uns entschieden, dass es gehen darf und dann kann im Nachgang entschieden werden, ob es vielleicht noch jemand anderen glücklich macht. Ist es nicht ein viel schöneres Gefühl (und nebenbei absolut nachhaltig), wenn sich andere Menschen über genau das freuen, was wir nicht mehr wollen? Wenn Dinge zurück in den Kreislauf kommen, wenn nichts Neues dafür produziert werden muss, wenn Ressourcen gespart werden können. Außerdem ist dieses Weggeben von Dingen ein wichtiger Lernprozess, durch den wir zukünftig achtsamer konsumieren. 

Wie kann man dich buchen?

Durch meine Arbeit habe ich in den letzten Jahren immer mehr gemerkt, wie wichtig das Innen, also das Mindset beim Ausmisten ist. Deshalb habe ich mein Angebot in diese Richtung erweitert, weil es eine immer größere Rolle spielt (deshalb lasse ich mich auch gerade zum Inner Balance Coach ausbilden). 

In meinen Augen ist das Leben eine Reise und je nachdem, wo sich jede/r gerade befindet, gibt es unterschiedliche Angebote.

Angefangen vom Aufräumen vor Ort bzw. Online-Aufräumen, weiter mit den Ordentlichen Routinen (ein Online-Kurs), welche die Ordnung beibehalten lassen über das „Innen“, z.B. Ziele-Mentoring und Happy Routines (ein Online-Kurs über glücklichmachende Gewohnheiten) kann man alles auf meiner Website buchen: Aufräumerei 

2 Gedanken zu “Aufräumen: „Wir nehmen uns zu viel vor.“

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